Gæsavötn

 

Kreuzung Gæsavatnaleið syðri/nyðri

 

Kurz vor der Sprengisandur

Tungnafellsjökull

 

Schmelzwassersee bei Nýidalur

11.Tag-08.August 2004
Von den Gæsavötn bis zur Hütte Nýidalur, 39 km

Ich werde wach, weil die Sonne auf das Zelt scheint. Der Blick nach draußen verheißt bestes Fotowetter. So mache ich noch vor dem Frühstück einen Rundgang um die Gæsavötn. Die Gæsavötn sind zwei kleine Seen eines Flusses, der hier in der Talsohle Platz hat, um sich auszubreiten. Die Uferränder sind mit Moos und Gras bewachsen. Das Moos schimmert gelblich in der aufgehenden Sonne. Am südlichen See steht eine private Hütte. Hütte ist eigentlich etwas untertrieben, es ist eher schon ein kleines Wochenendhaus. Es scheinen öfters Leute hierher zu kommen, denn die Hütte ist in einem sehr guten Zustand. Als ich vor meinem Ausflug zurückkomme, ist Winfried auch wach. Wir frühstücken erst einmal in aller Ruhe. Es kostet aber einige Überwindung, das 10 Tage alte Schwarzbrot zu essen.

Das Wetter scheint heute sehr warm zu werden. Als wir gegen 8 Uhr die Zelte zusammen packen, können wir bereits im T-Shirt draußen herum laufen. Es sind schon 13 °C und das hier auf einer Höhe von 920 m. Bei der Wärme wird mir schon ganz mulmig, wenn ich an die Furt des Gletscherflusses Jökufall und an die beiden Furten an der Sprengisandur und an der Nýidalur denke. So treibe ich Winfried zur Eile an.

Die 9 km bis zur Kreuzung der Gæsavatnleið syðri und nyðri führen entlang des kleinen Flusses Hraunkvísl. Die Piste geht leicht bergab und ist sehr mit Schotter überzogen, lässt sich aber ansonsten gut fahren. Nach 1 Stunde haben wir die Kreuzung erreicht. Vor 10 Jahren habe ich das erste Mal hier gestanden. Damals bin ich mit meinem Kumpel Hendrik die Nordroute gefahren. Wir legen eine “Gedenkminute” ein und machen danach die unvermeidlichen Fotos mit Selbstauslöser.

Kurz hinter der Kreuzung können wir den Gletscherfluss Skjálfandafljót auf einer Holzbrücke überqueren. Das ist auch gut so, denn wenn ich mir die Wassermassen anschaue, so möchte ich mit ihnen keine Bekanntschaft schließen. Nach meiner Erinnerung müssten jetzt eigentlich viele Furten hintereinander kommen. Es ist aber mehr als nur trocken dieses Jahr. War die Furt durch die Langadrag 1994 ca. 30-40 m breit und ca. 50 cm tief, so sind dieses Jahr nur zwei kleine Bachläufe zu durchqueren, wo wir nicht einmal die Schuhe ausziehen müssen. Auch existieren die folgenden Furten dieses Jahr fast überhaupt nicht. Bis wir den Gletscherfluss Jökufall erreichen, müssen wir nicht ein einziges Mal die Schuhe ausziehen.

Gegen 11 Uhr erreichen wir den Jökulfall. An der Furtstelle ist der Fluss durch eine Insel in zwei Flussläufe getrennt. Ein Zeichen dafür, dass das Wasser nicht so tief sein kann. Sollte die Insel nicht existieren, so kann ich jedem nur raten, die Durchquerung nicht zu probieren. Dann ist der Fluss ca. 80 cm tief. Auch hat er selbst bei wenig Wasser eine sehr hohe Strömungsgeschwindigkeit.
Auf der anderen Seite stehen zwei Jeeps einer isländischen Autovermietung. Eine Frau hat die Furt zum Erkunden schon zu Fuß durchquert. Wir fragen sie, wie tief der Fluss ist. Sie meint, der Fluss geht bis kurz über die Knie. Sie bietet uns an zurück zu laufen, damit wir sehen können, wie tief es ist. Und tatsächlich, die Durchquerung scheint nicht schwierig zu sein.

So versuche ich eine Durchquerung, ohne das Gepäck abzunehmen. Gleich nach dem ersten Meter gerate ich in eine Rinne im Fluss. Die vorderen Packsäcke sind unter Wasser. Zum Glück schiebe ich 45° schräg gegen die Strömung, so dass ich das Rad gut unter Kontrolle halten kann, auch wenn der Fluss gewaltig daran zerrt. Als ich die Insel erreicht habe, ist auch schon das Schlimmste überstanden. Der zweite Teil ist kein Problem mehr. Da Winfried durch seine Schmerzen im Arm kaum Kraft zum schieben hat, wate ich ohne Rad zurück, um ihm beim Durchqueren zu helfen. Zur Sicherheit machen wir bei ihm die vorderen Packsäcke ab. Winfried führt das Rad, ich schiebe von hinten. Auf diese Weise ist die Durchquerung kein Problem. Oft ist es bei tieferen Flüssen ratsamer, das Bike zu zweit durch den Fluss zu schieben. Man hat das Rad dann deutlich besser unter Kontrolle. Diese Art der Durchquerung hat sich auf unserer Tour vor 4 Jahren schon bewährt, auch wenn sie den Nachteil hat, dass man den Fluss 3 mal durchqueren muss, was zwangsläufig für richtig kalte Füße sorgt.

Vom Gletscherfluss Jökulfall aus sind es noch 10 km bis zur Einmündung in die Sprengisandur. Hinter dem Gletscherfluss müssen wir noch einen Anstieg hoch, natürlich schiebend, und dann wird der Blick auf eine weite Hochebene frei. Am Horizont erhebt sich majestätisch der Gletscher Hofsjökull. Zur linken Hand werden die ersten kleinen Gletscherzungen des Tungnafellsjökull sichtbar. Das Eis glitzert stark im Gegenlicht. Ab hier speist der Gletscher Tungnafellsjökull einen kleinen Fluss mit Wasser. Das im Moment noch kleine Flüsschen ist dann an der Sprengisandur ein ausgewachsener Gletscherfluss, den wir noch durchqueren müssen. Nach meinem Kilometerzähler müssten wir nun eigentlich die Sprengisandur erreicht haben. Und tatsächlich, hinter einem kleinen Hügel wird der Wegweiser sichtbar. Bevor wir uns der Furt widmen, schütteln wir uns erst einmal die Hände. Wir haben ihn geschafft, einen der schwersten Jeeptracks von Island. Nur leider können wir hier Niemandem unsere Freude mitteilen.

Obwohl es schon 13.30 Uhr ist und die Sonne den ganzen Tag gebrannt hat, ist die Furt nicht sehr tief. Das Wasser geht bis zum Knie. Ohne das Gepäck abzuschnallen, schaffe ich es ohne Probleme auf die andere Seite. 1994 und 2000 hatte der Fluss ein anderes Kaliber. 2000 mussten wir die Räder hier zu zweit durchschieben, da der Fluss deutlich breiter und auch deutlich tiefer war. Als Winfried das Rad ins Wasser schiebt, stelle ich mich mit dem Fotoapparat in Positur. 3 Fotos kann ich machen, dann muss ich ihm zu Hilfe eilen, da ihm das Rad außer Kontrolle gerät. Mit einer Schrecksekunde kommen wir davon. Winfried seine vorderen Packsäcke sitzen viel tiefer als meine und sorgen dadurch für mehr Auftrieb beim furten. So kann das Vorderrad sich schneller vom Boden lösen und genau das ist ihm passiert.

Die letzten 5 km bis zur Hütte Nýidalur lassen wir die Furtsandalen gleich an. Der Fluss an der Hütte ist einfach zu furten. Wir rollen auf den Zeltplatz. Es stehen die Zelte einer Reisegruppe auf dem Campingplatz. Sie sehen furchtbar aus. Überall gebrochene oder verbogene Gestänge, aufgeplatzte Reißverschlüsse und abgerissene Abspannlaschen. Selbst Töpfe, noch halb voll mit Essen, stehen in den Zelten rum. Das Versorgungszelt steht auch auf halb acht, davor steht eine Brotkiste. Das Brot darin ist klatschnass vom Regen. Hier muss es vergangene Nacht einen Sturm gegeben haben und die Bewohner müssen anscheinend fluchtartig das Weite gesucht haben.

Die Sache klärt sich schnell auf. Aus einem der Zelte kommt uns ein verschlafener und unrasierter Mann entgegen. Er ist für die Zelte hier verantwortlich. Er gehört zu einem Reiseveranstalter, der mit stationären Zelten arbeitet. Die Reisegruppe kommt abends und jeder sucht sich dann ein freies Zelt. Für uns eine neue Form des organisierten Zelttourismusses. Er meint, seit 3 Tagen hat es jede Nacht Sturm gegeben und letzte Nacht hat es die Tunnelzelte mit dem Wind von der Seite erwischt und das vertragen Tunnelzelte gar nicht. Nachdem wir eine halbe Stunde erzählt haben, muss er wieder an die Arbeit. Er muss die größten Schäden reparieren und das Essen für die Reisegruppe, die am Abend kommt, vorbereiten.

Ach ja Wind. Im Moment ist es windstill, so dass wir nicht wissen, wie wir unsere Zelte ausrichten sollen. Auch wir haben Tunnelzelte. Nachdem wir die Zelte aufgebaut haben, melden wir uns in der Hütte an. Das Mädel von der Hütteninformation ruft gleich bei der Drekihütte an der Askia an, um ihnen mitzuteilen, dass wir Nyidalur erreicht haben. Am späten Nachmittag kommt dann die Reisegruppe. Es geht das “Gebalge” um die am besten erhaltenen Zelte los. Man hat wohl schon Erfahrung. Einige haben Pech und sind etwas mürrisch. Die Reiseleiterin versucht sie etwas zu beruhigen. Aber es bleibt ihnen nichts anderes übrig. Sie müssen eins der ramponierten Zelte für die Übernachtung nutzen.

Nach dem Abendbrot machen wir noch eine kleine Wanderung. Vielleicht finden wir noch einen besseren Platz, wo man einen guten Blick auf den Hofsjökull hat. Aber zwischen uns und dem Hofsjökull sind noch zu viele Hügel, so dass wir das Unterfangen nach einer 3/4 Stunde aufgeben und zum Campingplatz zurückkehren. Als die Sonne untergeht, machen wir am Fluss noch ein paar Fotos. Meine Camera bekommt noch eine Schlammpackung verabreicht, da ich sie unvorsichtigerweise mit samt Stativ umreiße und sie im Schlamm landet.

Kaum ist die Sonne untergegangen, da kommt er wieder, der Sturm. Ich richte mein Zelt noch einmal aus, so dass es gut im Wind steht. Die Reisegruppe gibt sich nicht die Mühe. Das bezahlen aber viele von ihnen mit einer unruhigen Nacht, da sie eine Menge Zeit mit Zelt festmachen verbringen. Ich kann mich über die vielen Flüche nur amüsieren, weil ich denke, selbst Schuld. In Island fordert man das Wetter nicht heraus. Gegen 4 Uhr ist der Sturm dann vorbei und es kehrt Ruhe auf dem Campingplatz ein.

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