Wildgänse

 

Furt Hreysiskvisl

Hochlandoase

 

Pjòrsàrver

12.Tag-09.August 2004
Von der Hütte Nýidalur bis zur Brücke Kaldakvísl, 78 km

Der Wind hat im Vergleich zu gestern nicht viel nachgelassen. So müssen wir beim Zusammenpacken aufpassen, dass Sachen von uns nicht davon fliegen. Bei der Reisegruppe rührt sich noch nicht viel. Es war für sie eine unruhige Nacht. Viele von ihnen sind nachts mit der Taschenlampe unterwegs gewesen, um die kaputten Zelte notdürftig abzuspannen. Ich bin einiges schneller mit dem Zusammenpacken fertig als Windfried. Ich verkrümele mich in den Windschatten der Hütte, wenn die Sonne rauskommt, ist es sogar ganz gemütlich. Hatten wir die letzten Tage Südostwind, so hat der Wind seit gestern auf Nordwest gedreht. Wir freuen uns darüber, da wir Nýidalur Richtung Süden verlassen und so Rückenwind haben.

Ich habe die Sprengisandur F26 vom letzten Mal als eine fürchterliche Schotterpiste in Erinnerung. Durch die Autos gibt es viel Wellblechbelag, was mit dem Rad besonders nervig ist. Um dem aus dem Weg zu gehen, biegen wir ca. 2 km hinter der Hütte Nýidalur Richtung Westen ab. Hier gibt es eine Zufahrt zum alten Weg der Sprengisandur. Dieser führt viel näher am Gletscher Hofsjökull entlang. Wir erhoffen uns ein schönes Gletscherpanorama und eine bessere Piste.

Die bessere Piste haben wir schon. Trotz des Seitenwindes geht es zügig vorwärts. Die Piste ist mit dem Rad gut zu fahren, auch sind die Steigungen und Abfahrten nicht so steil, wie auf der offiziellen Autopiste F26. Nach 14 km erreichen wir den alten Weg der Sprengisandur. Bis hierhin gab es keine Schwierigkeiten. In normalen Jahren gibt es wahrscheinlich eine Stelle mit einem Talkessel, an der Altschneefelder oder eine Furt vorhanden sind. Dieses Jahr war es komplett trocken und die einzige Schwierigkeit war das Hoppeln des Rades über die großen Steine. Ein altes handgemaltes Schild weist darauf hin, dass wir richtig sind. Diese Piste wird nicht vom Straßenbauamt (Vegagerdin) unterhalten. Sie war aber einigermaßen markiert, doch bei schlechter Sicht stelle ich mit das hier nicht so einfach vor.

Wir merken, dass wir uns Wasser nähern, den jetzt fallen die Mücken über uns her. Wir haben jetzt wieder Rückenwind und fahren ungefähr genauso schnell. Für die Mücken ist das wie stehende Luft und so kriechen sie uns in die Nase, die Ohren oder bleiben in den Augen hängen. In diesem Moment wäre mir ein leichter Gegenwind lieber, denn dann sind die Mücken mit einem Schlag verschwunden. Die Piste führt hier in ca.12-15 km Entfernung parallel zum Gletscherrand des Hofsjökull. Wir hatten auf gutes Wetter für Fotos gehofft. Doch der Sturm der letzten Tage hat so viel Sand aufgewirbelt, dass es mit Fotos Essig ist. Ich ärgere mich ein wenig, tröste mich aber damit, dass das fahren hier auf der Piste wirklich viel einfacher ist, als auf der Autopiste F26. Außerdem gibt es immer mal wieder kleine Seen, auf denen sich Gänse niedergelassen haben, zu sehen. Meist fliegen sie gleich davon, wenn wir uns nähern.

Eigentlich ist in der Karte eine Furt eingezeichnet. Nach dem Kilometerzähler ist sie schon lang überfällig. Von der Kreuzung bis zur Furt sind es nach der Karte ca. 15 km. Der Kilometerzähler zeigte aber schon 20 km an. Irgendwas scheint mit der Karte nicht zu stimmen
(Und so war es auch, wir haben die Hochlandkarte 1:300000 benutzt, auf der ist nur eine Querverbindung von Nýidalur zur alten Sprengisandur eingezeichnet, es gibt aber 2, beide sind aber auf der 1:250000 Karte eingezeichnet. Das habe ich erst zu Hause festgestellt.)
Am rechten Rand der Piste wird der Blick auf die die Pjòrsa, einen Gletscherfluss vom Hofsjökull frei. In mir keimt die Befürchtung, dass wir da durch müssen und der Fluss sieht gewaltig aus. 27 km hinter dem Abzweig kommt dann die Furt. Es ist zum Glück nur ein Klarwasserfluss, der weiter westlich in die Pjòrsa mündet. An dieser Furt gibt es einen kleinen schönen Wasserfall, so dass wir hier eine 3/4 Stunde mit Fotos machen verbringen. Kurz dahinter gibt es noch eine Furt, an der sich eine kleine Hochlandoase gebildet hat. Es gibt unwahrscheinlich viele Mücken hier. Am Bach haben es sich ein paar Wildgänse bequem gemacht, die dieses Mal nicht gleich davon fliegen.

Beim ersten Staudamm ist es dann mit der guten Piste vorbei. Der erste Berg dahinter wartet mit tiefen Schotter auf uns. Hoffentlich bleibt das nicht so. Zum Glück wird die Piste nach 2 km wieder besser. Es geht jetzt ständig bergauf und bergab. Die Hügel sind hier aber flacher als auf der Sprengisandur F26. Bergrunter lasse ich es immer rollen und konzentriere mich darauf, auf der Schotterpiste eine Linie zwischen den Schlaglöchern zu finden. Bremsen tue ich nur, wenn es dringend angeraten scheint. Die schnellen Bergabfahrten sind sehr zum Leidwesen von Winfried. Ich habe auf jeder Abfahrt ruckzuck 500 m Vorsprung heraus gefahren und der summiert sich von Hügel zu Hügel. So muss ich öfters einmal warten. Es ist aber warm und die Sonne scheint, so dass das Warten durchaus angenehm ist. An einer Stelle habe mein Rad ziemlich achtlos an den Straßenrand abgelegt und sonne mich im Windschatten eines Steines. Ein isländischer Jeep kommt vorbei, der Fahrer steigt aus und sucht den Fahrer zum Rad, weil er denkt, es ist etwas passiert. Ich winke ihm zu und sage, dass alles in Ordnung ist. Eine nette Geste, ich hätte ja auch verletzt im Straßengraben liegen können.

An der linken Seite glitzert nun der See Kvislavatn im Gegenlicht. Nach den vielen Hinweisschildern der Kraftwerksfirma, wohl eher ein künstliches Gebilde. In seiner natürlichen Ausbreitung ist der See wohl nur halb so groß. Leider fehlt für gute Fotos ein besserer Hintergrund. An der rechten Seite liegt der Hofsjökull in einer Dunstwolke aus Staub. Also auch keine guten Fotos zu machen.

Nach 63 km haben wir dann die Kreuzung bei Versalir erreicht. Ich habe Winfried wieder ein Stück abgehängt und muss warten. Da hier Staudämme, sprich Baustellen, in der Nähe sind, hole ich Spaßes halber das Handy raus und schaue ob Empfang ist. Und tatsächlich, es ist schwacher Empfang. So rufe ich erst meinen Bruder, dann meine Freundin und meine Eltern an. 3 mal kann ich leider nur mit dem Anrufbeantworter sprechen. Es findet sich somit niemand, dem ich meine Freude mitteilen kann, es geschafft zu haben.

Und so geht es jetzt weiter auf der normalen Auto-Sprengisandur F26. Die Piste ist in einem halbwegs guten Zustand. Wir wollen noch ein paar Kilometer schaffen und den Rückenwind nutzen. Nach 75 km sind wir dann doch der Meinung uns langsam einen Platz für die Übernachtung zu suchen. Die Plätze am Rand sind rar gesät. Ab und zu findet sich ein Platz, aber es ist kein Trinkwasser da. An der Brücke der Kaldakvisl machen wir erst einmal eine Pause. Ich klettere in den kleinen Canyon hinunter, da es da einige kleine Wasserfälle, die aus Lavaschichten heraus kommen, gibt. So können wir unsere Trinkwasservorräte wieder auffüllen.

Nur ein paar hundert Meter hinter der Brücke begegnen wir den ersten beiden Radfahrern seit Seydisfjördur. Es sind 2 Schweizer. Sie kommen aus Landmannalaugar und haben den ganzen Tag gegen den Wind gekämpft. Die Plastetüten in ihren Radschuhen weisen darauf hin, dass es in Landmannalaugar wohl geregnet hat. Ich kann die Leute nicht verstehen, die außerhalb der Ringstrasse mit Klickpedalen fahren. Erstens gibt es immer nasse Füße und zum Wandern muss man noch extra Schuhe mitnehmen. Anscheinend sind Hakenpedale heutzutage außer Mode gekommen. Sie haben aber den Vorteil, dass man mit Wanderschuhen fahren kann.

Wir fragen die Schweizer, ob sie eine nette Übernachtungsstelle gesehen haben. Sie meinen in ein paar hundert Metern kommt eine. Unser Mitteilungsbedürfnis muss für sie wohl unheimlich sein, denn sie schlagen das Angebot, doch zusammen hier zu übernachten und ein bisschen zu schwatzen, aus. Tatsächlich findet sich ein netter Platz. Hier würden sogar 4 bis 5 Zelte hin passen. In einem kleinen See gibt es Wasser und wir stehen im Windschatten von ein paar dicken Lavabrocken. Zusätzlich haben wir aus dem Zelteingang Blick nach Westen, so dass wir uns auch noch den Sonnenuntergang anschauen können. Der kleine See hat ungefähr 13°C Wassertemperatur. Da es noch nicht zu kalt ist unterziehe ich mich der ersten Ganzkörperwäsche seit dem Kverkfjöll. Beim Essen kochen muss ich feststellen, dass das letzte Brot verschimmelt ist. Ab morgen gibt es dann Müsli mit Milchpulver und Kakao zum Frühstück. Schade, dass ich keinen Whisky mehr habe, denn an einem so schönen Abend wäre ein Single Malt die Krönung.

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