Das Wetter meint es wieder hold mir uns. Dafür brauche ich nicht einmal aus dem Zelt zu schauen. Die Sonne knallt so auf das Zelt, dass es schon bullig warm darin ist. Der Wind hat auch nicht gedreht, so dass wir optimale Bedingungen auf unseren Weg nach Süden haben. So ein bisschen spiele ich ja mit dem Gedanken, es heute bis nach Árnes zu schaffen. Dort gibt es einen kleinen Campingplatz mit einem Mini-Hotpott. Und so ein warmes Bad wäre gar nicht schlecht. Nach der Karte sind es ca. 100 km bis dahin, ganz schön weit.
Die Entscheidung, was ich zum Frühstück esse, ist einfach. Das letzte Brot was ich heraushole ist schimmelig. Jetzt habe ich nur noch 4 Tüten Müsli mit Milchpulver zum Frühstück. An Milchpulver habe ich schlechte Erinnerungen, deshalb gibt es Kakaopulver zur Geschmacksverbesserung dazu. Und es schmeckt tatsächlich gar nicht schlecht. Allerdings könnte in einer Tüte etwas mehr sein, die Mahlzeit ist doch recht knapp bemessen.
Gegen 9 Uhr hat uns dann die staubige Piste wieder. Noch 20 km Schotter, ab dann hat die Straße Asphaltbelag. Die letzen 20 km Schotter haben es noch einmal in sich. Er ist zum Teil so tief, dass wir an manchen Stellen nicht mehr berghoch fahren können, weil das Hinterrad immer wieder durchdreht. Auch auf den folgenden Abfahrten müssen wir immer wieder das Tempo rausnehmen, damit wir nicht ins schlingern kommen. Bei mehr als 50 km/h möchte ich bei einem Sturz keine Bekanntschaft mit dem Schotter schließen.
Unser Weg führt uns jetzt am See Pórisvatn vorbei. Seine große Ausdehnung hat er vor allem durch die Aufstauung des Wassers erhalten. Der natürliche Wasserspiegel ist normalerweise ca. 6 m niedriger. Eigentlich gibt es hier eine gute Stelle um schöne Fotos zu machen. Aber das Wetter spielt schon wie an den anderen Tagen nicht mit. Es ist unheimlich dunstig. Das ganze Hochland ist sehr trocken und der Wind weht den Staub in alle Ecken. Es gibt aber auch beeindruckende Schauspiele. Wenn sich ein Jeep nähert, so zieht er eine riesige Staubwolke hinter sich her. Das sieht vor allem bei Seitenwind sehr eindruckvoll aus. Leider hab ich immer wieder den Fotoapparat nicht schnell genug zur Hand.
Am Ende des Pórisvatn hat man einen guten Blick auf die Berge von Landmannalaugar. Durch den vielen Staub in der Luft ist jede weiter entfernte Bergkette etwas weniger im Dunst zu sehen. Dieses Mal ein gutes Fotomotiv, wie aus der Sahara. Nur leider wird der Vordergrund durch die vielen Masten der Stromleitungen gestört. Und es sind noch mehr als bei unserer letzen Reise im Jahr 2000. Das Wasserkraftwerk, welches beim letzten Mal noch in Bau war, ist nun fertig.
Eigentlich ist ja Wasserkraft eine sehr umweltfreundliche Art der Energieerzeugung. Nur in so konzentrierter Form wie es hier zu sehen ist, in nur kurzem Abstand gibt es drei Wasserkraftwerke, beschleicht einen schon ein komisches Gefühl. Zusätzlich führt der sich ändernde Wasserstand an den Ufern der Seen zu einer Zone der Bodeerosion. Bei großem Wind steigt die Staubbelastung im Hochland dadurch deutlich.
Unser nächstes Ziel ist die Kantine der Kraftwerksbauer in Hrauneyjafossstöd. Mittlerweile ist die Straße asphaltiert und wir kommen sehr zügig vorwärts. Durch den starken Rückenwind fegen mit 30 km/h der Kantine entgegen. Vor meinem geistigen Auge sehe ich schon eine riesige Portion Pommes, mein Durst schreit nach einer Cola. Die letzte Cola hab ich vor 12 Tagen in Egilsstadir getrunken. Ich bin doch schon ganz schön zivilisationsgeschädigt.
Es ist noch keine Mittagspause, so ist die Kantine noch vollkommen leer. Die Bedienung fängt gerade an das Büfett aufzubauen. Wir bestellen für jeden eine XXL Portion Pommes, eine Cola und einen Kaffee. Zu Hause würde man über den Preis (ca.15 Euro) nur mit dem Kopf schütteln, aber das ist uns in diesem Moment egal. Die Zivilisation hat uns mit ihren „Segnungen“ wieder.
Wieder auf der Straße zurück, liegt mir die dicke Portion Pommes dann schwer im Magen. Winfried macht das Tempo und ich habe Mühe hinterherzukommen. Die dicken Pommes drücken ganz schön im Bauch. Trotz Rückenwind bleibe ich in Winfrieds Windschatten, um das Tempo mithalten zu können. Man merkt, dass er zu Hause viel mehr Straße fährt als ich.
Ca. 20 km hinter der Kraftwerkskantine verlassen wir die Straße F26 und biegen auf die Straße 32 ein. Der Weg führt uns vorbei an gigantischen Wasserkraftwerksbauten. Jede Möglichkeit zum Aufstauen von Wasser wird hier genutzt. An einer Stelle, wo die Pisten zum Wasserfall Haifoss abzweigen, gibt es ein neues Kraftwerk. Hier werden die kleinen Flüsse, die vom Hochplateau kommen, aufgestaut. Worüber ich aber am meisten den Kopf schütteln muss, ist der Abfluss des Kraftwerkes. Damit das Wasser in den großen Damm des Flusses Pjórsa fließen kann, hat man einen riesigen Kanal gebuddelt. Dieser zieht sich mehrere Kilometer gerade bis zur Pjórsa durch die Landschaft. Seine Ausmaße sind riesig. Der Kanal ist ca. 15 m breit und 20 m tief. Wahrscheinlich sieht sich hier jeder Gegner von übertriebener Stromerzeugung durch Wasserkraft bestätigt.
Bevor wir ins Pjorsadalur gelangen, müssen wir noch einen Pass am Berg Skeljafell vorbei überwinden. Es gibt eine neue asphaltierte Straße und der Pass ist dadurch deutlich entschärft. Die Steigungen sind nicht mehr so steil und es geht auch gleichmäßiger bergauf. Oben auf dem Pass weht dann eine steife Prise und wir müssen uns auf der Abfahrt ins Pjórsadalur sehr konzentrieren, da immer mal wieder eine Windbö den Berg hinauf fegt. Bei ca. 60 km pro Stunde nehme ich dann das Tempo raus, um durch den Wind nicht von der Straße gedrückt zu werden. Schade, die Abfahrt ist für 80 km/h gut und ich dachte, ich kann meinen Geschwindigkeitsrekord von den Färöer Inseln (83 km/h) verbessern.
Auf dem Weg nach Árnes gibt es, etwas abseits der Straße, einen kleinen Wasserfall, den Hjalparfoss. Hier fällt der Fluss Fossa in zwei Strömen eine ca. 8-10 m hohe Stufe hinunter. Dahinter gibt es einen kleinen See, eine Art „Badewanne“. Es ist erst 14.30 Uhr und somit ist genügend Zeit für einen Abstecher zum Hjalparfoss. Mittlerweile herrschen hier Temperaturen wie bei uns im Sommer zu Hause. Es sind bestimmt 23-24°C und an dem windgeschützten Fleckchen am Hjalparfoss kommt uns das besonders warm vor.
Weil es so warm ist beschließe ich, einmal mit den Füssen durch die „Badewanne“ zu laufen. Nach ca. 10 min merke ich, dass mir die Füße noch gar nicht abgefroren sind. Ich denke mir, das ist die einmalige Gelegenheit, einmal in einem isländischen Fluss zu baden. Ich warte noch bis die letzten Besucher weggefahren sind, denn FKK baden wird hier nicht gern gesehen. Dann wage ich es und es ist tatsächlich nicht so kalt. Für 10 min planschen im Wasser ist es warm genug. Winfried macht die notwendigen Fotos um die „Heldentat“ zu dokumentieren.
Wir bleiben noch eine Weile am Hjalparfoss in der Sonne sitzen, dann hat uns die Straße wieder. Winfried fährt wieder voran, ich bleibe in seinem Windschatten. Ich versuche mich an die verschiedenen Stellen, an denen wir bereits 1994 und 1995 vorbeigefahren sind, zu erinnern. Aber es gelingt mir nicht richtig, denn die Straße ist an vielen Stellen neu gemacht.
Die letzten Kilometer bis nach Árnes ziehen sich dann in die Länge. Mit tut mittlerweile von den vielen Straßenkilometern der Hintern weh. Der Tacho zeigt bereits 96 km an. Dann endlich, nach 98 km, sind das Ortschild und die kleine Tankstelle zu sehen. Der schöne Campingplatz hat sich zum Glück nicht verändert. Der Pool ist noch da und bis auf eine isländische Familie ist noch niemand hier. Die beiden Kinder der Familie sind nicht aus dem Pool zu kriegen und machen noch stundenlang Wetttauchen. Das ist bei 38°C Pooltemperatur aber auch möglich.
Weil die Sonne so brennt stellen wir unsere Zelte an einen schattigen Platz. So warm wie heute hab ich es in Island noch nie erlebt. Dadurch bietet sich aber die Gelegenheit ein paar Sachen zu waschen, weil sie heute bestimmt noch trocken werden. Als ich meine Sachen auf die Leine hänge denke ich mir, ich könnte ja mal die Temperatur messen. So hänge ich das Thermometer im Schatten mit auf die Leine. Nach einer halben Stunde schaue ich darauf, 27°C. Ich kann es nicht glauben und warte noch eine halbe Stunde. Aber die Uhr zeigt immer noch 27°C und das 19.00 Uhr am Abend. Das ist absoluter Wärmerekord. Normalerweise sitzt man, selbst an warmen Tagen, um diese Zeit schon frierend vorm Zelt.
Bevor wir uns selbst in den kleinen Pool werfen, gehen wir noch im kleinen Laden der Tankstelle einkaufen. Das ist nach 13 Tagen ohne Laden auch dringend nötig. Trotz der hohen Preise gönne ich mir eine richtige Flasche Bier und nicht das hier übliche Letoel (Bier mit maximal 2,5% Alkohol). So wird das Abendbrot richtig zum Fest und wir runden den Tag mit dem Besuch im Pool ab.
Den nächsten Tag bin ich mit Winfried, bei weiterhin bestem Wetter, noch zusammen bis nach Sellfoss gefahren. Dort haben sich unsere Wege dann getrennt. Winfried, der noch mehr Zeit hatte, ist die ganze Südküste entlang bis zur Fähre nach Seydisfjördur zurück gefahren.
An dieser Stelle möchte ich den Bericht über unsere Biketour beenden. Es ist einfach zu viel Arbeit. Und mit den hier aufgeführten ersten 13 Tagen ist der wichtigste Teil der Reise ausführlich beschrieben. Der Rest der Tour ging durch „bekanntes Land“. Die Route zum Flughafen Kevlavik führte mich über Sellfoss, Hveragerdi mit seinen heißen Quellen und Bächen und der netten Bäckerei, zum Zeltplatz an der Strandkirche mit der alten Dame und ihren prima Waffeln, den Zeltplatz in Grindavik mit dem schönen Schwimmbad nebenan, vorbei am Kleifárvatn und dem Hochtemperaturgebiet Krísuvik, ich machte den obligatorischen Besuch in der „Blauen Lagune“ und umrundete die Halbinsel Reykjanes. Diese Route bin ich zum großen Teil schon 3 Mal gefahren.
Es bleibt die Erinnerung an eine schöne und anstrengende Tour und die Erfahrung, dass man körperliche Grenzen durchaus noch nach oben schieben kann. Kurz nach der Tour hatte ich gesagt, „So was? Nein, nie wieder!“. Jetzt, ca. 5 Monate später bin ich da anderer Meinung und habe schon wieder 2 neue Touren im Kopf. Island, wir sehen uns wieder.
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