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Mit unserem neuen Verpflegungspaket sieht unser Frühstück heute sehr reichlich aus. Vor allem den Honig genieße ich. Gestern hatten wir noch überlegt, ob wir hier an der Askia für einen Tag eine Pause machen, denn eigentlich hinken wir meiner Zeitplanung um einen Tag hinterher. Das sehr gute Wetter nimmt uns die Entscheidung aber ab. Die Aussicht, den Öskjuvatn und den Víti-Krater bei Sonnenschein zu sehen, drängt uns förmlich hier zu bleiben.
Die österreichische Bustouristengruppe ist schon morgens um halb sieben am packen. Sie wollen heute mit ihrem Allrad-Geländebus die Gæsavatnaleid syðri fahren. Wir hatten uns gestern Abend noch mit dem Fahrer des Busses unterhalten. Er ist die Route noch nicht gefahren. Die einzigen Kenntnisse der Strecke die er hat, stammen von einem Kollegen, der gestern Abend von der südlichen Gæsavatnaleid gekommen ist. Irgendwie finde ich dies schon ziemlich leichtsinnig, vor allem vom Reiseveranstalter. Ganz zu schweigen von der Verantwortung des Busfahrers, der 15 Leute durch für ihn unbekanntes Gebiet fährt.
Um 8 Uhr sind die Österreicher weg und unsere Zelte stehen jetzt alleine auf dem Zeltplatz. Wir sind nun auch startklar. Der Wanderweg über das Calderamassiv zur Askia fängt direkt hinter dem Zeltplatz an. Er ist gut gekennzeichnet und bei diesem Wetter nicht zu verfehlen. Wenn wir zurückschauen, bietet sich uns immer wieder ein imposanter Blick auf die Herðubreið. Manchmal nimmt die Wegführung des Wanderweges nicht die direkte Richtung. Aber wenn ich genauer hinschaue, dann weiß ich auch warum. Die Nordflanken der Berge werden immer auf der Südseite umgangen, da auf der Nordseite bis in den späten Sommer noch Schneefelder liegen. Dieses Jahr gibt es durch die Wärme keinen Schnee mehr. Trotzdem wagen wir keine Experimente und folgen weiter dem ausgewiesenen Pfad. Und so schrauben wir uns Meter um Meter in die Höhe. Ich hole das GPS-Gerät aus der Tasche und messe die Höhe. 1200 m und noch ist das Ende des Weges nicht absehbar. Nach ca. 2 Stunden erreichen wir eine lang gezogene Hochebene an deren Ende wir dann am Rand der Caldera stehen. Das GPS-Gerät zeigt 1350 m an. Dies ist der höchste Punkt des Wanderweges. Die Höhe des Wanderweges ist auch ein Grund, warum man ihn nur bei guten Wetteraussichten in Angriff nehmen sollte.
Uns ist das Wetter mehr als hold. Sie Sonne scheint, es sind kaum Wolken am Himmel und selbst hier auf 1350 m Höhe ist es warm genug für kurze Hosen. Von nun an führt der Weg, durch lockeren Lavasand an der Südflanke des Berges zum Öskjuvatn hinunter. Beim bergab gehen sinken wir immer wieder bis zu den Knöcheln ein, mit dem Ergebnis, dass die Schuhe bald voller Sand sind. Nachdem wir um den nächsten Hügel herum sind, ist das erste Solfatarenfeld zu sehen. Durch das starke Sonnenlicht kommen die gelben, roten und blauen Farben der Solfatarenfelder besonders gut zur Geltung. Von hier aus ist auch der Krater Víti das erste Mal zu sehen. Er scheint zum greifen nahe aber die Entfernung täuscht wie immer. Bis zum Krater ist locker noch eine halbe Stunde zu laufen.
Jetzt geht es noch einmal stark bergab. Ich bin so konzentriert, dass ich die kleinen, mit Lava bedeckten Eiskegel am Rand fast nicht bemerke. Als ich die vielen kleinen Lavahüte sehe, kommt mir ein Artikel aus einer Zeitung, die ich auf der Fähre gelesen habe, in Erinnerung. Das Eis unter der Lavaschicht ist aus dem Jahr 1875. Es wurde damals durch einen Vulkanausbruch mit Asche bedeckt. Da dieses Jahr kaum noch Schnee liegt, kommt es wieder zum Vorschein. Ich hole die Kamera raus und mache ca. 15 Fotos mit verschiedenen Einstellungen, damit garantiert ein Foto etwas wird.
Nach 3 Stunden und 15 min ist es dann soweit. Ich stehe am Rand des Kraters Víti. Winfried hat zwischendurch noch etwas länger fotografiert, dass ich ihn abgehängt habe. Und so kann ich einen Moment genießen, den ich mein ganzes Leben nicht vergessen werde. Ich sitze bei bestem Sonnenschein oberhalb des Kraters Víti, ganz allein, ringsherum keine Menschen-Seele. 20 min habe ich Zeit, alles auf mich wirken zu lassen, erst dann kommt Winfried. Und wir haben noch einmal eine 3/4 Stunde Zeit, das Panorama zu bewundern, erst dann sind die ersten Leute zu sehen, die vom Autoparkplatz kommen.
Das Wasser im Krater Víti schimmert gelblich, grünlich. Es soll ja Badetemperatur haben. Ich klettere zum Krater hinunter, der Weg ist sehr steil. Zum Glück ist er trocken, so dass das Ganze keine Rutschpartie wird. Unten angekommen, bin ich von der Wassertemperatur etwas enttäuscht. Ich schätze sie auf 22 °C und lege für mich fest, das ist zu kalt zu baden. Ich begnüge mich damit, eine viertel Stunde barfuß durch das Wasser zu laufen.
In der Ferne ist nun schon die lange Menschenkette auf dem Weg vom Parkplatz bis zum Krater Víti zu sehen. Ca. viertel eins kommen die ersten Besucher vom Parkplatz an. Wir machen uns nun auf den Rückweg. Bald ist es hier voll, wie bei jeder Touristenattraktion. Der Menge der Leute nach, müssen 3 Busse auf dem Parkplatz stehen. Wir wollen die normale Autopiste für den Rückweg nutzen. Der Weg ist zwar länger, aber einfacher zu laufen. Am Parkplatz machen wir erst einmal eine Essenspause. Wir sitzen in der Sonne und schauen dem Treiben auf dem Parkplatz zu. Eine isländische Familie nutzt die Klappe ihres Pickups als Partytisch und frühstückt genüsslich. Es scheint eine Menge leckere Sachen zu geben. Wir müssen uns mit Riegeln und Schokolade begnügen.
Die Mittagssonne brennt. Die ersten Kilometer auf der Piste sind trotzdem schnell gelaufen. Aber es sind 8 km vom Parkplatz bis zum Campingplatz. Also mindestens 1 h 30 min. Ich merke schon, dass die Schritte langsam schwer werden. Zum Glück gibt es Wasser unterwegs, so dass wir unsere Trinkflaschen wieder auffüllen können. Auch entschädigt das Panorama mit der Herðubreið am Horizont für die Anstrengung. Nach 1 h und 40 min sind wir dann zurück am Campingplatz. Es ist halb vier. Wir haben 7 1/2 Stunden für die Wanderung gebraucht.
Der Campingplatz füllt sich nun wieder. Heute zeltet eine Gruppe Franzosen hier. Auch Sie wollen morgen, mit einem umgebauten Mercedes-LKW mit Busauflieger, die Gæsavatnaleið syðri in Angriff nehmen. Wo Franzosen sind, ist ein Grill nicht weit. Und so ist es auch. Während die anderen Leute die Zelte aufbauen, sind zwei damit beschäftigt, den Grill anzuheizen. Cirka eine 3/4 Stunde später zieht der leckere Geruch von gegrillten Steaks über den Campingplatz. Unser Abendbrot ist leider nicht so lecker. Es gibt Nudeln mit Tomatensoße. Den heißen Tee peppe ich mit meinem letzten Schluck Whisky auf.
Am späten Abend gehen wir dann noch einmal zu den beiden Mädels vom Campingplatz. Wir melden uns für den nächsten Tag ab und sagen ihnen, dass wir die Gæsavatnaleid sydri fahren wollen. Das Wetter soll zwar nicht mehr ganz so gut werden wie heute, aber es wird wohl nicht regnen. Zum Abschied sagen die Mädels noch zu uns, dass sie jedem, der die Südroute fahren will, Bescheid geben, dass sie nach uns schauen. Bei so viel Fürsorge kann uns eigentlich nichts mehr passieren. Und so gehen wir früh schlafen, weil wir wissen, dass morgen eine Menge Schiebesand auf uns wartet.
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