Vom zentralen Hochland nach Varmahlid an der Nordküste

Der heutige Tag beginnt mit umgekehrten Vorzeichen. Heute bin ich nicht in Form und fahre Rudi hinterher. Ich muss mich am Tag vorher wohl etwas übernommen haben. Die Piste ist nicht gerade geeignet einen psychisch aufzubauen. Man kann die Pistenlinie durch den Schotter noch in 20 km Entfernung sehen. Zum Glück kommen mir heute die von Hendrik beigebrachten Abfahrtsfähigkeiten entgegen. Ich kann den Abstand, den Rudi bergauf zwischen uns rausgearbeitet hat, auf der Abfahrt meist wieder wettmachen. Irgendwann bin ich dann doch zu schnell, ein Stein schlägt bis auf die Felge durch und ich kann einen Platten flicken.
Eigentlich wollten wir auf dem Zeltplatz an der Hütte Laugafell übernachten. Der sieht aus wie ein staubiger Exerzierplatz und lädt nicht zum übernachten ein. So fahren wir noch einige Kilometer weiter, bis wir einen Zeltplatz finden. Wir stellen die Zelte hinter einen Lavahügel, kochen Essen und können einen schönen Sonnenuntergang genießen.
Aber wie war das mit dem Abendrot, Abendrot, schlecht Wetter droht? Jedenfalls heute Nacht stimmt der Spruch. Gegen Mitternacht geht der Sturm los. Wir suchen mit der Taschenlampe im Finsteren nach Steinen zum Zelt befestigen. Bis 4 Uhr morgens wackelt das Zelt und das Zeltgestänge biegt sich bei jeder Bö bedenklich durch. Der windgeschützte Platz hinter dem Lavahügel stellt sich als nicht so gut heraus. Der Wind pfeift über den kleinen Hügel und wir werden mit feinkörnigem Lavasand regelrecht sandgestrahlt.
Als wir morgens dann mit verquollenen Augen aufwachen, liegt über allen Sachen im Zelt ein feiner Film von schwarzem Lavasand. Auch unsere Gesichter sind ziemlich dreckig, so dass wir uns erst mal im nahe gelegenen Fluss waschen müssen.
Wir packen unsere verdreckten Klamotten eine und fahren los. Auch heute ist die Piste noch in 10 bis 15 km Entfernung zu sehen. Wir denken, man es muss doch irgendwann die 300 bis 350 Höhenmeter bergab gehen. Aber die Höhenanzeige auf dem Höhenmesser ändert sich kaum.
Irgendwann geht es dann doch bergab und dann heftig. Die Piste ist mit übelstem Schotter gepflastert und erfordert einiges fahrerisches Können. Die Hände verkrampfen von der vielen Bremserei. Nach ca. 3 km sind wir dann nur noch 100 m über dem Meeresspiegel. Das grüne Vesturdalur mit dem Gletscherfluss Hofsa empfängt uns.
Bald ist die Piste zu Ende und die Asphaltstraße beginnt. Vor uns torkelt ein Wanderer mit riesigem Rucksack die Straße entlang. Wir fahren an ihm vorbei, machen an der nächsten Gelegenheit halt und warten auf ihn. Es ist Christof, ein Fallschirmjäger von der Bundeswehr. Er hat schwer zu tragen an seinem
35 kg schweren Rucksack. Heute hat er 35 km hinter sich. Er ist von Hveravellir (an der Kjölur), abseits von allen Pisten, in mehreren Tagen bis hierher gewandert. So zu sagen, ein selbst auferlegter Härtetest. Wir bieten ihm eine Tafel Schokolade und etwas zu trinken an. Er freut sich riesig darüber. Wir verabreden uns für den Abend auf dem Campingplatz in Varmahlid. Wir sind gerade wieder 5 min unterwegs, da überholt uns ein Auto. Christof winkt vom Beifahrersitz. Ein netter Isländer hat ihn von den letzten 10 Asphaltkilometern bis nach Varmahlid erlöst.